Der Lehrpfad Kilometer Null
Auge in Auge mit den Betonhöhlen des Krieges
Ein neuer Lehrpfad im Kanton Jura erschliesst den «Kilometer Null», den Anfang der Kriegsfront, die von der Schweizer Grenze bis zur Nordsee reichte. Zu sehen sind ehemalige Stellungen von drei Armeen. Der Pfad führt mehrmals über die Grenze, gute Schuhe und eine Identitätskarte sind Pflicht.
Sumpfige Wege, mit Moos überwachsene Betonstücke, Mücken – das war bis jetzt kein attraktives Wanderziel. Die Reste der ehemaligen Front des Ersten Weltkrieges bei Bonfol wurden nur von Insidern besucht. Jetzt erschliesst ein gut begehbarer Wanderweg mit einem Dutzend Informationstafeln diesen fast vergessenen Winkel der Geschichte. Der Largzipfel war im Ersten Weltkrieg berühmt, denn hier standen sich vier Jahre lang die Armeen der Schweiz, Deutschlands und Frankreichs gegenüber. Hier begann die Front, die bis an die belgische Küste reichte. Hier liegt der «Kilometer Null». Während des Krieges zog es das Publikum aus beiden Basel und Bern in Scharen in diese Region. Der Largzipfel – die Franzosen reden vom «Entenschnabel» – ist ein Stück Wald, das von Bonfol aus zwei Kilometer weit ins Elsass hinausragt, bis zum Flüsschen Larg, das damals die Kriegsparteien trennte.
Von Bonfol zum Start des Rundwegs
Der neue Lehrpfad hat drei Ausgangspunkte, jeweils mit Parkplatz und Informationstafel. Dieser Text basiert auf der Wanderkarte 1:25000 und beginnt den Rundgang mitten im Largzipfel; dieser Startpunkt ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuss gut erreichbar. Ab einem der drei Ausgangspunkt ist der Rundweg 8 Kilometer lang. Wandert man ab dem Bahnhof Bonfol und zurück, verlängert sich der Weg auf etwa 14 Kilometer.
Vom Bahnhof in Bonfol aus in Fahrtrichtung der Eisenbahn weitergehen und nach rechts abbiegen auf die Route de Courtavon. Nach eineinhalb Kilometern wird die Strasse in einer Rechtskurve von einer Waldstrasse gekreuzt. Hier (Punkt 471) links der Waldstrasse Le Fahy folgen, etwa einen Kilometer alles geradeaus. Die Waldstrasse kreuzt die Autostrasse (Punkt 473) nach Pfetterhouse und führt in Richtung Larghof. Diese Strasse heisst in Frankreich D 41. Rund 300 Meter nach der Strassenquerung stösst man auf den Parkplatz mit der Infotafel über den Lehrpfad zum «Kilometer Null».
Variante: Von Bonfol aus der Bahn entlang zurückgehen und links an den Weihern vorbeiwandern. Bei Punkt 443 abbiegen und der Route de Courtavon folgen.
Der Rundweg
Von der Tafel aus folgt man dem Rundweg im Uhrzeigersinn. Der Pfad ist gekennzeichnet mit kleinen weissen Pfeilen mit der dreieckigen Aufschrift «1914-1918, Circuit du km 0»; im Dreieck ist der Grenzstein mit dem Berner Bären abgebildet, der den Kilometer Null markiert. Schon nach 150 Meter biegt der Weg scharf nach rechts – eventuell ohne den kleinen weissen Wegweiser. Nach ein paar Schritten ist man im Elsass und wandert auf einer Waldstrasse, die eine lange, auffallend gleichmässige Linkskurve beschreibt: Sie entspricht dem Trassee der Eisenbahn, die einst Bonfol und Pfetterhouse verbunden hat (Position 14 auf der Rundweg-Karte). Die Brücke am Altmühlenweg führte einst über die Eisenbahn, sie wurde im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen zerstört (Position 15). Im Wald liegen noch zerfetzte Teile der Konstruktion. Die zweite Eisenbrücke steht noch (Güterholz, Position 16). Hier würde es geradeaus auf der Waldstrasse zum Parkplatz in Pfetterhouse gehen, einem weiteren Ausgangspunkt des Rundwegs. Aber der Rundweg biegt hier ab und führt über die Brücke in den Wald hinein. Es folgt ein oft sumpfiges Stück Weg, das zum Glück bald aus dem Wald herauskommt. Es geht geradeaus über offenes Feld, dann weist ein weisser Pfeil nach rechts wieder zurück zum Waldrand.
Am Waldrand kündigt ein Wanderwegweiser die Villa Agathe an; der Weg führt von hier zu diesem Betonwerk, dann wieder zu dieser Stelle zurück. Die Villa Agathe ist der erste betonierte und erhalten gebliebene französische Unterstand der Westfront (Position 17 auf der Rundweg-Karte). Er kann betreten werden. Von hier aus reichte die Front durch den Sundgau, über die Vogesen und bis nach Ostende an der Nordsee. Die «Villa» wurde erst kurz vor Kriegsende gebaut und enthielt zwei Maschinengewehrstellungen sowie einen Raum mit einer Lücke im Dach, durch die man Gewehrgranaten verschiessen konnte.
Nun geht’s zurück zum Waldrand. Der Weg führt leicht abwärts, vorbei an einem schönen Badeweiher, dann einen halben Kilometer weit auf gewundenen Pfaden über die zerfallenen französischen Stellungen (Position 18). Man erreicht die Strasse D 24, die Pfetterhouse mit Moos verbindet und bei Punkt 404 über das Largflüsschen führt. Bei der Largbrücke befindet sich ein Parkplatz und eine weitere Infotafel – man kann den Rundweg auch von hier aus beginnen. Der Übergang über die Larg war 1914-1918 von den Deutschen besonders stark gesichert worden. Im Unterschied zu den Franzosen hatten sie Beton verwendet, deshalb finden sich hier noch viele Spuren der einstigen deutschen Front.
Von der Infotafel aus geht der Rundweg über die Largbrücke und am Wasserreservoir vorbei. Hier finden sich der Gedenkstein «Erinnerung in Freundschaft und Frieden» mit der Jahreszahl 1944 und die ersten deutschen Anlagen. Sie sind stark verfallen, aber doch noch gut zu sehen und informativ beschriftet (Positionen 1 und 2). Der Weg geht in den Wald hinein, führt aufwärts an einer betonierten Sperrstellung vorbei (Position 3), über die Strasse D 24 auf eine Waldstrasse, die nach rechts führt, parallel zur Larg flussaufwärts, bis zum Larghof. Unterwegs sind kleine Exkurse nach links und rechts möglich, doch sie sind noch nicht überall ausgebaut und beschildert.
Wenige Meter nach dem Queren der Strasse D 24 ist eine solche Exkursion nach rechts beschildert. Sie führt zu mehreren Stellungen, die nahe am Wasser liegen und freigelegt wurden. Eine ist mit frischem Beton wieder instand gestellt (Positionen 4 und 5 auf der Rundweg-Karte). Zurück auf dem Weg geht’s immer geradeaus in Richtung Schweizer Grenze. Die Positionen 6, 7 und 8 sind nicht leicht zu finden. Hoffentlich werden sie noch freigelegt und beschildert. Man muss genug Zeit einplanen oder auf einige Exkursionen verzichten, auf dem Weg bleiben und die Schmetterlinge geniessen, die Ruhe, die Waldluft. Das einstige Kriegsgebiet ist heute ein Ort der Stille.
Der Weg wird immer sumpfiger. Lohn der Mühe ist das Ende der deutschen Westfront respektive deren Anfang. Gut erhalten sind eine Maschinengewehrstellung ohne Dach und ein starker Betonunterstand, der von einem Baum gesprengt worden ist (Position 9). Ein starkes symbolisches Bild. Daneben befindet sich ein tief eingesunkener Unterstand. Der Weg führt nun über eine schöne, im Sommer 2013 erbaute Holzbrücke über die Larg zurück in die Schweiz. Wunderschön der Ausblick über das Ried zum Larghof. Man ahnt, wie exponiert und abgeschieden dieser Zipfel während des Krieges war.
Auf Schweizer Boden wandert man wenige Meter zum Grenzstein Nr. 111, dem offiziellen «Kilometer Null» der Westfront (Position 11). Auf der Schweizer Seite des Steins prangt immer noch ein rot nachgezogener Berner Bär. Im Largzipfel stand die Schweizer Armee während des Krieges Wache, auf Hörweite mit den deutschen und französischen Soldaten. Unter anderem verstärkten hölzerne Beobachtungsposten die Stellung. Eines dieser Blockhäuser ist 2012 nachgebaut worden und kann betreten werden (Position 12). Ein paar Schritte weiter steht der Grenzstein 111a (Position 13 auf der Rundweg-Karte). Junge Elsässer sind im Zweiten Weltkrieg an dieser Stelle in die Schweiz geflüchtet, weil sie nicht in Hitlers Armee kämpfen wollten.
Beim Larghof führt eine Waldstrasse durch den Largzipfel in Richtung Bonfol und damit zurück zum Ausgangspunkt des dieser Beschreibung. Von der Infotafel aus kann man nun zurück zum Bahnhof wandern.
Plan mit Legende
1 Deutscher Vorposten der Infanterie an der Largbrücke
2 Deutscher Maschinengewehr-Vorposten an der Largbrücke
3 Deutsche Sperrstellung nördlich der Strasse nach Moos (D 24)
4 Deutsche Sperrstellung südlich der Strasse nach Moos (D 24)
5 Deutscher Vorposten an der Böschung der Larg
6 Zerstörte deutsche Maschinengewehrstellung
7 Deutsche Maschinengewehrstellung
8 Deutsche Infanteriekasematte
9 Vorderste deutsche Frontstellung
10 Holzbrücke über die Larg (an der Landesgrenze)
11 Grenzstein 111, Kilometer Null der Westfront
12 Beobachtungsposten Nr. 2 der Schweizer Armee
13 Französischer Posten Clemenceau
14 Ehemalige Eisenbahn Bonfol-Pfetterhouse
15 Ehemalige Eisenbahnbrücke Altmühlenweg (gesprengt)
16 Eisenbahnbrücke Güterholz (intakt)
17 Französischer Bunker «Villa Agathe»
18 Französische Stellung vor der Largbrücke
Infos und Tipps
Die Rundwanderung kann von drei Parkplätzen aus begonnen werden; auf jedem zeigt eine Informationstafel die Wanderroute. Ein Parkplatz liegt in Pfetterhouse, ein zweiter bei der Largbrücke zwischen Moos und Pfetterhouse. Der dritte Ausgangspunkt liegt im Largzipfel und ist mit dem öV am leichtesten zu erreichen. Der Parkplatz ist gut drei Kilometer vom Bahnhof in Bonfol entfernt und zu Fuss erreichbar. Die Rundwanderung ist etwa 8 Kilometer lang, mit dem Zusatzweg von Bonfol und zurück sind es 14 Kilometer. Der Rundweg allein ist in zwei Stunden zu machen, doch mit Besichtigungen, Pausen und vielleicht einem kleinen Irrweg sollte man grosszügig rechnen. Der Rundweg dürfte etwas besser ausgeschildert werden; auch wären Stoppschilder auf möglichen Irrwegen hilfreich.
Mitnehmen
Karte 1:25 000, Identitätskarte, gute Schuhe für sumpfige Passagen, starke Taschenlampe sowie in der Saison Schutz vor Zecken und Mücken. Restaurants gibt’s in Bonfol und in Pfetterhouse, doch wer sich unterwegs verpflegen will, zum Beispiel beim schönen Grillplatz in der Nähe des Schweizer Blockhauses im Largzipfel, muss den Proviant mitnehmen. Am besten sieht man die Reste der Front an einem milden, schneefreien Wintertag von Januar bis April.
Quelle: Walter Brunner, Journalist BR, walter.brunner@breitband.ch